Eine Fabrikhalle steht menschenleer. Die Maschinen laufen, produzieren elegant und im Akkord Tausende Teile pro Stunde. Geht einer Produktionseinheit das Rohmaterial aus, fragt sie automatisch den internen Lagerbestand ab, von dort aus wird beim Zwischenhändler Nachschub bestellt. Ein Szenario, an das wir uns gewöhnen müssen.
Zwischen Cloud und Maschinenhalle
Wir befinden uns mitten in der vierten industriellen Revolution. Innerhalb der vergangenen 250 Jahre wurde die Fertigungsbranche von vollständiger Handarbeit auf automatisierte Massenproduktion umgestellt. Nun steht ein weiterer Schritt an: Die Digitalisierung schreitet voran und lässt die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt verschwimmen.
Im Internet of Things (IoT, dt.: Internet der Dinge) wird mithilfe von Sensoren das echte Leben wahrgenommen und in Daten umgewandelt. Diese wiederum können genutzt werden, um vom Internet ausgehend Vorgänge in der Realität zu steuern oder zu beeinflussen. Dieses Potenzial nutzen Smart Factories, intelligente Fabriken, die in der Industrie Einzug halten. Maschinen werden mit Sensoren ausgestattet, produzierte Güter mit modernsten Chips, sodass im Produktionsprozess ständig Daten entstehen und gesammelt werden. Ihre Auswertung wird heute noch in vielen Bereichen von Menschen ausgeführt, doch auch dies soll sich ändern.
Weniger Aufwand, mehr Ertrag
Die Vision von Industrie 4.0 präsentiert eine Fabrik, in der sich Maschinen und Güter automatisch koordinieren und durch künstliche Intelligenz (KI) die Fertigungsprozesse optimieren. Innerhalb eines Unternehmens werden die verschiedenen Abteilungen und Abläufe zu einem Netzwerk verbunden, das sich selbst reguliert. Der Mensch kann sich dadurch auf die Qualitäten konzentrieren, die ihn von Robotern unterscheiden. Anstatt Abläufe zu kontrollieren und Optimierungsmöglichkeiten zu suchen, kann er Neues schaffen, Innovation und Entwicklung vorantreiben.
Generell ergeben sich durch die fortschreitende Automatisierung erhebliche Vorteile für die Unternehmen. Die Produktionskosten können gesenkt werden und auch der Aufwand für Prozessoptimierungen soll bald entfallen. Zudem wird die digitale Visualisierung weiter vorangetrieben. Dadurch müssen Neuerungen in den Verfahren nicht arbeitsintensiv und risikoreich an den Maschinen und Werkstücken getestet werden. Eine digitale Simulation genügt, um beurteilen zu können, ob sich die Umsetzung einer bestimmten Methode lohnt.
Der Kunde ist König
Ein immenses unausgeschöpftes Potenzial hat die Industrie im Bereich der Kundenorientierung. Der Kunde will heute keine Massenware beziehen, im Gegenteil: Konsumentinnen und Konsumenten möchten ein Produkt nach ihren eigenen Wünschen zusammenstellen. Gelingt es den Unternehmen also, die Produktionsanlagen automatisch zu koordinieren, so können auch kleine Serien und gar Einzelanfertigungen effizient in die Abläufe integriert werden. Auf diese Weise wird das Angebot der Firma breiter, sie hat die Flexibilität, auf Kundenwünsche einzugehen und individuelle Produkte bereitzustellen. Ausserdem kann auf kurzfristige Veränderungen im gesamten Markt schnell reagiert werden. Ein Unternehmen, das auf Industrie 4.0 setzt, erhöht seine Attraktivität und erarbeitet sich eine gute Grundlage für Wettbewerbsdifferenzierung.
Wo bleibt der Mensch?
Die Stossrichtung ist klar: Der Arbeitnehmende in der Fabrikhalle wird durch Maschinen und Roboter ersetzt. Diese Entwicklung verändert unseren Arbeitsmarkt. Einfache Arbeitsplätze verschwinden, gleichzeitig entsteht eine grosse Nachfrage nach höher qualifizierten Fachkräften. Dieser Strukturwandel bringt offensichtlich nicht nur Vorteile mit sich. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass die Überlegenheit in der Nutzung von Basistechnologien wie dieser den Werkstandort Schweiz am Leben hält. Sollte die Schweizer Industrie diesen Umbruch verschlafen, wird sie mit existenziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Denn gerade in der Maschinen-, Elektro- und Metallbaubranche ist stetige Rationalisierung ein ausschlaggebender Erfolgsfaktor.
Dies erkennen die Schweizer Industrievertreter. Mit der Initiative Industrie 2025 setzen sie sich dafür ein, dass die Schweiz in Sachen Industrie 4.0 eine Vorreiterrolle einnimmt und so als ganze Volkswirtschaft vom technologischen Fortschritt profitiert.