Ein Öltanker bricht vor Mauritius entzwei, Tausende von Litern Schweröl ergiessen sich ins Meer. Wieder einmal sorgt die Frachtschifffahrt für Negativschlagzeilen. Eine Branche im Zwiespalt.
Verzicht? Unmöglich.
90 Prozent der Güter im Welthandel werden auf dem Seeweg transportiert. In Containerschiffen und Tankern reisen sie über die Weltmeere und ermöglichen so einen globalisierten Güterhandel. So selten Frachtschiffe also positive Schlagzeilen machen, so essenziell sind sie für unser tägliches Leben. Man stelle sich nur vor, Turnschuhe aus Kambodscha müssten im Flugzeug oder gar über Land nach Europa transportiert werden – unser Konsum wäre ein ganz anderer.
Die Erfindung des Schiffscontainers verlief einigermassen zufällig. Ein amerikanischer Geschäftsmann hatte die Idee, seine Lastwagen auf Schiffe zu verladen, um den Stau auf der Küstenautobahn zu umgehen. Rollmaterial und Führerhaus kurzerhand entfernt, wurde daraus der Container geboren. Er revolutionierte den globalen Güterhandel. Man musste nun nicht mehr alle Waren einzeln auf ein Schiff laden, sondern konnte sie im Vorhinein in handliche und bis zu zwanzigfach stapelbare Container verpacken. Frachtschiffe mit Zigtausenden Einzelwaren können heute innerhalb eines Tages be- oder entladen werden, was früher Wochen in Anspruch genommen hatte.
Preiskampf und Qualitätsmängel
Die enorme Rationalisierung des Welthandels eröffnete neue Möglichkeiten. Erst durch diese bahnbrechende Erfindung wurde der internationale Warenhandel überhaupt rentabel. Schnell entwickelte sich der Markt der Hochseetransporter allerdings in eine andere Richtung. Er wurde geflutet von neu bestellten Frachtern, sodass grosse Überkapazitäten entstanden und die Preise drastisch sanken. Kleinere Reedereien fielen dieser Entwicklung zum Opfer.
Auch heute muss man nach Kritikpunkten an der Schifffahrtsindustrie nicht lange suchen. Die marktführenden Reeder registrieren ihre Schiffe in Steuerparadiesen wie Panama oder den Bahamas und umgehen somit die Steuerbehörden und das Arbeitsrecht in ihren Heimatstaaten. Die Löhne der Besatzung sind demensprechend tief und die Arbeitsbedingungen teils prekär. Öltanker und andere Gefahrgutfrachter sind in schlechtem Zustand und sorgen regelmässig für Umweltkatastrophen.
Gibt es denn keine Alternativen?
60'000 Frachter sind permanent auf den Weltmeeren unterwegs. Angetrieben werden sie durch die Verbrennung von Schweröl, einem Abfallprodukt der Rohölverarbeitung. Dieses hat einen hohen Anteil an Schwefel und Schwermetallen, die sich als Abgase negativ auf unsere Luftqualität auswirken. Demnach sind Frachter wahrlich Dreckschleudern. Trotzdem ist der Transport auf dem Seeweg pro befördertes Gut noch immer die umweltfreundlichste Methode.
Ganz generell schneidet die Frachtschifffahrt im Vergleich mit anderen Langstreckentransportmitteln gut ab. Der Güterverkehr über Land beschränkt sich naturgemäss auf zusammenhängende Landmassen und kann so keine grösseren Meerpassagen bewältigen. Die Luftfracht ist teuer, denn sie verbraucht grössere Treibstoffmengen als Frachtschiffe. Zudem können aufgrund hoher Sicherheitsvorschriften Gefahrgüter nicht im Flugzeug transportiert werden. Der Gütertransport per Luftfahrt kommt vor allen Dingen dort zum Einsatz, wo Eile geboten ist.
Die Hochseeschifffahrt steht unter Beschuss. Dennoch sind wir es alle, die sie weiter am Laufen halten, denn wir brauchen sie. Der internationale Güterverkehr und globale Lieferketten sind essenziell für unsere Wirtschaft – dies hat gerade die Coronakrise bewiesen.