Ein Interview mit Dipl.-Ing. Jörg Metzger, Zehnder Head Competence Center Radiators, zur aktuellen Marktsituation des Heizkörpers.
                    
                                            
                            Frage 1: Herr Metzger, wie lange braucht der Markt noch den klassischen  Heizkörper? Hat sich die zunehmende Priorisierung der Energieeffizienz beim  Bauen und Sanieren, bisher negativ auf den Absatz des klassischen Heizkörpers  in der Schweiz ausgewirkt?
Das würde  ich so nicht sagen. Denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern  zeigt sich der Heizkörpermarkt in der Schweiz in den letzten 10 Jahren als relativ  stabil. Das mag einerseits an der Beliebtheit des Bad-Heizkörpers liegen, der  aufgrund seiner Komfort-Kompetenz sogar ein leichtes Wachstum verzeichnet und  andererseits wird der klassische Heizkörper nach wie vor gerne bei Neu- und  Umbauten von Gewerbe- und Bürobauten oder einfach im Ersatz eingesetzt. Rechnet  man bei den Heizkörpern noch die Konvektoren dazu, dann zeigt sich der  Schweizer Heizkörpermarkt in den letzten Jahren als absolut stabil.
Frage 2: Mit welchen produkttechnischen Massnahmen sorgt Zehnder für ein  unverändert attraktives Heizkörper- Angebot?    
Dazu müssen wir zwischen dem klassischen  Wohnraum-Heizkörper und dem Bad-Heizkörper unterscheiden, denn diese beiden  Bereiche entwickeln sich sehr unterschiedlich.
Für das Badezimmer beobachten wir einen zunehmenden Bedarf an so  genannten Design-Heizkörpern. Grund für diese steigende Nachfrage ist die  vermehrte Nutzung des Badezimmers als Wellness- und Entspannungsort. Und ein  wichtiger Wohlfühlfaktor ist eben auch, dass man sich mit ästhetischen Dingen  umgibt. Entsprechend definiert sich heute ein erfolgreiches Sanitärprodukt über Ästhetik und Komfortnutzen –  einwandfreie Funktionalität natürlich vorausgesetzt. Unsere Design-Heizkörper  sind deshalb nicht nur funktional, sondern stylische Design-Objekte, die sich  perfekt in jedes Badezimmer einfügen und den Raum aufwerten.
In der Sanierung von Gebäude konzentrieren wir  uns bei Zehnder auf den Austausch von Heizkörpern. Durch die moderne  Baustandards mit möglichst optimaler Dämmung, sinkt der Wärmebedarf im Objekt.  Dadurch haben sich auch die Ansprüche an die Wärmeabgabe verändert: Eine  Heizung, sei es eine Fussbodenheizung oder eine klassische Heizkörperheizung, muss  auf den wechselnden Wärmebedarf schnell reagieren können. Dabei haben die  klassischen Warmwasser-Heizkörper einen Vorteil gegenüber der trägen  Fussbodenheizung.
Auch innovative Technologien spielen eine  wichtige Rolle: So wird zum Beispiel der Anschluss von Heizkörpern an  Niedertemperatursysteme wie Wärmepumpen immer wichtiger. Zehnder hat bereits  seit einigen Jahren spezielle Heizkörper-Modelle wie den Zehnder Nova Neo  entwickelt. Mit diesen Heizkörpern kann die Wärme – dank integrierten Lüftern –  schnell und gezielt aktiviert werden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich  unsere Produktentwicklungen stark an den neuen, regenerativen Technologien der  Wärmeerzeugung orientieren. Mit der klaren Zielsetzung, den Raum möglichst  angenehm und möglichst schnell und effizient zu erwärmen.
Frage 3: Wäre unter dem Aspekt einer verstärkten Komfort-Argumentation  nicht auch die Fussbodenheizung eine interessante Ergänzung des Zehnder  Produktportfolios?
Zehnder hat sich bereits vor einigen Jahren  gegen die Aufnahme von Fussbodenheizungen in das Produktportfolio entschieden.  Der Grund ist dabei ganz einfach: Wir hätten sicherlich erst mal keine  Differenzierungsmerkmale zu anderen Herstellern. Um aber in einem neuen Markt  erfolgreich zu sein, muss man bereits etablierte Wettbewerber verdrängen  können. Dazu genügt es nicht, nur gleich gut zu sein. 
Frage 4: Bestimmte Raumsituationen stellen hohe Anforderungen an die  bauliche Anpassungsfähigkeit des Heizkörpers. Wie bewerten Sie die  Sonderformen-Kompetenz von Zehnder? Sind diese Spezialanfertigungen noch  gefragt?
Die Sonderanfertigung von Heizkörpern ist seit  über 50 Jahren eine zentrale Kernkompetenz von Zehnder, die unverändert stark  nachgefragt wird.
Der grosse Kundenvorteil liegt auf der Hand:  Sonderformen lassen sich in jede individuelle Raumarchitektur einfügen. Der komplette  Prozess – vom Aufmass bis hin zur Auslieferung – ist bei uns optimal  aufeinander abgestimmt, so dass wir auch bei unseren Sonderanfertigungen kurze  Lieferzeiten garantieren können. Die Sonderformen sind tatsächlich so gefragt,  dass wir unsere Kompetenz hier noch weiter ausbauen wollen.
Unseren Heizkörper-Klassiker Zehnder  Charleston, der am deutschen Standort Lahr gefertigt wird, liefern wir  beispielsweise vorwiegend an öffentliche Gebäude oder in Gewerbebauten. Und  dabei handelt es sich überwiegend um Sonderanfertigungen, die passgenau für die  jeweiligen Objekte produziert werden.
Zusätzlich bieten wir unseren Kunden neben einem  grossen Standard-Farbsortiment auch jede gewünschte Farbe als Sonderlackierung  an. Da sind der Fantasie im Prinzip keine Grenzen gesetzt.
Frage 5: In anderen europäischen Märkten wie in Frankreich liegen Elektro-Heizkörper  absolut im Trend. Wie beurteilen Sie die aktuelle Rolle des Elektro-Heizkörper  für den Schweizer Markt?
In der Schweiz hat der Elektro-Heizkörper eine  Art «Bann» erlebt, sprich eine gesetzliche Regelung, mit dem Ziel den  Elektrizitätsbedarf für das Heizen deutlich zu reduzieren. Konkret sind  Elektrospeicherheizungen für die Grundlast nicht mehr erlaubt. Aus zusätzliche  Heizquelle in einem Bad sind Elektroheizkörper nach wie vor erlaubt. Aus meiner  Sicht war diese gesetzliche Reglung aus energetischer Sicht richtig und  notwendig.
Man muss aber auch sehen, dass inzwischen elektrisch  betriebene Heizkörper dank neuer innovativer Technologien deutlich energieeffizienter  wurden. Man kann einen modernen Elektro-Heizkörper keinesfalls mehr mit einem  Produkt vergleichen, welches vor 15 oder 20 Jahren hergestellt wurde. Der  Einsatz von modernen Steuereinheiten oder die Einbindung in ein  SmartHome-System erlauben den zeitlich abgestimmten Einsatz von  Elektroheizkörpern und ermöglichen so eine bedarfsgerechte, energetisch  sinnvolle Nutzung. Und da die neue, energieeffiziente Bauweise einen mit früher  vergleichsweise bescheidenen Wärmebedarf mit sich bringt, kann der punktuelle Einsatz  von Elektro-Heizkörpern, sowohl für den Neubau als auch für Renovierungen zu  einer interessanten Option werden.
Frage 6: Erfahrungen zeigen, dass bei vielen privaten  Renovierungsobjekten die alten Heizkörper leider immer noch nicht ausgetauscht  werden und es stattdessen oft nur bei einem neuen Anstrich bleibt. Welche  Überzeugungsarbeit kann Zehnder hier bei seinen Marktpartnern leisten, um die  Austauschquote zu erhöhen?
Das stimmt, auch wir machen die Erfahrung,  dass nach wie vor viele ältere und wenig effiziente Heizkörper im Einsatz sind.  Zumindest spricht dies für die Qualität dieser Produkte, dass sie eine  Lebensdauer von 30, 40 und mehr Jahre haben.
Wir bei Zehnder beraten unsere Kunden zu  diesem Thema und versuchen sie davon zu überzeugen, dass neue Heizkörper nicht  nur formschön und ästhetisch sind, sondern auch energieeffizienter als alte  Modelle.
Frage 7: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den  Heizkörper-Markt – Stichwort Lieferverzögerungen, steigende Stahlpreise,  Baustopps
Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie war eine  grosse Verunsicherung spürbar: Baustellen wurden entweder komplett gestoppt  oder stark entschleunigt. Und auch wir waren gezwungen, schnell zu reagieren  und unsere Produktionskapazitäten anzupassen. Gleichzeitig haben wir gemerkt,  dass viele Menschen die Zeit daheim nutzen, um ihr Zuhause zu verschönern und  renovieren. Dadurch ist die Nachfrage vor allem in Endkundensegment massiv  angestiegen. Aber auch im Bereich der öffentlichen Gebäude oder Bürogebäude ist  die Nachfrage gestiegen, bedingt durch die Verzögerungen zu Beginn der  Pandemie.
Seit Beginn des Jahres 2021 sind die  Rohmaterialpreise stark angestiegen, bedingt durch die erhöhte Nachfrage von  Stahl oder Elektronik. Dadurch ist die Materialverfügbarkeit leider nicht immer  gegeben. Für uns ist es gerade deshalb besonders wichtig, für unsere Kunden  weiterhin zuverlässig und lieferfähig zu sein. Auch wenn längere Lieferzeiten  aktuell leider oft nicht zu verhindern sind.
Frage 8: Gerade die Zehnder Bad-Heizkörper sind bekannt als regelrechte Design-Objekte?  Wie muss man sich den Ideenfindungs- und Entwicklungsprozess für einen neuen  Design-Heizkörper bei Zehnder vorstellen?
Bei der Ideenfindung hören wir in erster Linie  auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Gleichzeitig beobachten wir permanent die  aktuellen Trends in den Bereichen Wohnen, Architektur und Lifestyle. Seit  vielen Jahren arbeiten wir mit renommierten Industriedesignern und Consumer  Agenturen aus den Bereichen Badezimmer, Küche und Armaturen zusammen, um  rechtzeitig neue Trends und Tendenzen zu erkennen.
Auch die digitale Kommunikation gewinnt in diesem Kontext immer mehr an  Bedeutung: Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise eine grosse Web-Umfrage  gemacht und dadurch von unseren Kunden wichtige Anregungen und Inspirationen  erhalten.
Sobald die Idee dann für einen neuen Heizkörper  feststeht, geht die Entwicklung bis zum fertigen Design-Heizkörper relativ  schnell.
Frage 9: Wo sehen Sie den klassischen Heizkörper in 10, 20 Jahren?
Wir gehen davon aus, dass Heizkörper auch in  20 Jahren noch eine wichtige Rolle spielen.
Wenn wir den Heizkörper als reine  Wärmeabgabequelle betrachten, wird er allerdings nicht an Bedeutung gewinnen.  Wenn wir den Heizkörper aber stattdessen als Bestandteil der Innenarchitektur,  gepaart mit erhöhtem Komfortanspruch und optimalem Raumklima wird der  Heizkörper – meiner Meinung nach – an Bedeutung gewinnen.