Das Aufatmen war gross, als das Bundesamt (SECO) für Wirtschaft Mitte Juli die Arbeitslosenstatistiken vom Juni 2020 veröffentlichte. Die Arbeitslosenquote der Schweiz war im Vergleich zum Vormonat um 0.2 Prozent auf 3.2 Prozent gesunken. Die negativen Effekte der Coronakrise konnten augenscheinlich durch die Massnahmen des Bundes gedämpft werden. Dennoch stehen wir vor einer ungewissen Zukunft.
Geschichtsträchtige Höchstwerte
Im Juni 2020 verzeichneten die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) rund 150'000 Arbeitslose. Dies sind zwar weniger als noch im Mai, doch im geschichtlichen Vergleich noch immer erschreckend viele: Lediglich in den Jahren 1993 bis 1997 wurden je derart hohe Zahlen erhoben. Das bisherige Maximum wurde im Februar 1997 erreicht, als 206'291 Personen ohne Job waren. Dies entspricht einer Quote von 5.7%.
Die hohe Arbeitslosigkeit der 90er Jahre ist auf zwei Hauptgründe zurückzuführen. Einerseits brachte ein weltweiter Konjunktureinbruch die Schweizer Wirtschaft ins Taumeln. Da die Schweiz ihre Güter zu grossen Teilen ins Ausland exportiert, steht sie in einer starken Abhängigkeit zu den globalen Partnern und bekommt weltweite Krisen besonders stark zu spüren. Andererseits liefen in den 90er Jahren Prozesse der Globalisierung und Technologisierung rasanter ab als je zuvor. So wurde der Rationalisierungsdruck auf die Unternehmen erhöht, Entlassungen waren die Folge.
Corona, der Wirtschaftskiller
Der Auslöser für die hohe Arbeitslosigkeit im Jahr 2020 ist klar. Wegen des Coronavirus und der staatlichen Massnahmen zu seiner Eindämmung ist die globale Wirtschaft eingebrochen. Die Experten der Weltbank prognostizieren für das Krisenjahr einen Rückgang der Weltwirtschaftsleistung um 4.9 Prozent, jene des IWF gar um 5.2 Prozent. Für die Schweiz ist ein derartiger Einbruch der Wirtschaft fatal. Die Expertengruppe des Bundes spricht von einem BIP-Rückgang um 6.2 Prozent für das Gesamtjahr 2020. Diese schwierige wirtschaftliche Lage treibt die Arbeitslosenquote in die Höhe.
Besonders betroffen sind das Gastgewerbe, der Detailhandel und der Flugbetrieb, denen der Lockdown und die Sicherheitsmassnahmen die Arbeitsgrundlage entziehen. Allerdings leiden auch vorwiegend exportorientierte Branchen wie die Uhren- und die Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie.
Eine tickende Zeitbombe
Dank Kurzarbeitsentschädigungen und zinslosen Darlehen können kurzfristig zahlreiche Arbeitsplätze erhalten werden. Je länger die Krise jedoch andauert, desto eher müssen die Unternehmen Stellen streichen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Es wird daher – zweite Welle hin oder her – mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote im zweiten Halbjahr gerechnet.
Für den Einzelnen kann eine unerwartete Kündigung die persönliche Existenz gefährden und ist ein grosser Einschnitt im Leben. Auf volkswirtschaftlicher Ebene zieht eine steigende Arbeitslosigkeit einen Rattenschwanz von negativen Folgen nach sich. Einerseits müssen Stellensuchende über die Arbeitslosenversicherung vom Staat versorgt werden, da sie kein eigenes Einkommen generieren. Andererseits sinkt die allgemeine Kaufkraft der privaten Konsumenten. Die Wirtschaft funktioniert als Kreislauf: Wer keinen Lohn bekommt, gibt kein Geld aus; wo keine Nachfrage ist, bleiben Unternehmen auf ihrem Angebot sitzen. Die Wirtschaft gerät ins Stocken. Zusätzlich wirken volkswirtschaftliche Multiplikatoren, die solche Kettenreaktionen gar verstärken. In einer Krise wie dieser entgleitet auch die Schweizer Wirtschaft in eine Abwärtsspirale. Die Selbstheilungskräfte des freien Marktes versagen. Daher ist es nun die Aufgabe des Staates und der Nationalbank, die Krise bestmöglich abzufedern.
Es ist noch nicht vorbei
Der Rückgang der Arbeitslosenquote im Juni ist ein Silberstreif am Horizont. Trotzdem liegt vor uns noch ein langer Weg, auf dem zahlreiche Rückschläge drohen. Die Krise ist nicht überstanden, das ist uns allen klar. Dennoch dürfen wir darauf zählen, dass Bund und Kantone in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern diverser Fachbereiche für unsere Zukunft sorgen.
Für das Jahr 2021 wird ein deutliches Wirtschaftswachstum prognostiziert, vor allem der Binnenmarkt wird sich schnell erholen. Denn schlussendlich sind wir es, die die Schweizer Wirtschaft am Leben halten. Mit unserem Einsatz als Arbeitgebende, Arbeitnehmende und Konsumenten können wir – jeder nach seinen Möglichkeiten – diese Krise gemeinsam bewältigen.