Hitzewellen nehmen weltweit zu – auch in der Schweiz. Darunter leiden vor allem Städte: Der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land kann mehrere Grad betragen. Ein neuer Wasserkanal an der Empa könnte dazu beitragen, diese «urbanen Hitzeinseln» künftig zu lindern – etwa indem Städte durch Vegetation, Wasserflächen und hellere Materialien lokal für tiefere Temperaturen sorgen und Platz für Wind schaffen, um Städte besser zu durchlüften.
(Karin Weinmann, EMPA)
Die letzten Monate waren überdurchschnittlich heiss. Das ist längst keine Ausnahme mehr. Jahr für Jahr jagen sich die Hitzerekorde. Unter den Hitzewellen leiden Städte deutlich stärker als das umliegende Land: Die Temperaturunterschiede zwischen urbanen Zonen und grünem Umland können mehrere Grad betragen. Das Phänomen ist als städtische Hitzeinseln (engl. urban heat islands) bekannt. Gründe für die Temperaturunterschiede gibt es mehrere: Die dunklen Oberflächen von Strassen und Dächern absorbieren tagsüber mehr Sonnenstrahlung – und speichern diese erst noch besser. In der Stadt entsteht zusätzliche Wärme durch Verkehr und Industrie. Ausserdem fehlt meist Vegetation, die durch Verdunstungskühlung die Temperatur mildern könnte. Und die dicht aneinandergereihten Gebäude blockieren den Wind, der kühlere Umgebungsluft mitbringen könnte.
Wie kann Wind Hitze aus der Stadt führen?
Die Hitze ist nicht nur unangenehm, sondern hat auch massive Auswirkungen: Der Energieverbrauch für Kühlung nimmt zu, die Ozonwerte in Bodennähe steigen, und die Temperaturen führen zu zusätzlichen Erkrankungen bis hin zu Todesfällen. Und immer mehr Menschen sind betroffen: Heute lebt berets mehr als die Hälfe aller Menschen weltweit in urbanen Zonen. Bis zum Jahr 2030 soll dieser Anteil gar auf zwei Drittel ansteigen. Städte und Forschungsgruppen arbeiten weltweit an Möglichkeiten, wie sich dieser Hitzeinsel-Effekt in den Städten lindern lässt.
Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Wind: Er könnte die Hitze aus den Städten abführen, kühlere Luft von umliegenden Seen und Wäldern mitbringen und kühlt die Oberflächen zusätzlich durch Konvektion. Bei Hitzewellen mit wenig Wind spielt der Auftriebseffekt eine wichtige Rolle: Wenn heisse Luft über der Stadt in die Höhe steigt, kann unten kühlere Luft nachfliessen. Zusätzlich können Gebiete mit kühlerer Luft geschaffen werden: Etwa Parks mit Vegetation, hellere Oberflächen, die weniger Sonnenstrahlung absorbieren oder Oberflächen, an denen Wasser verdampft – zum Beispiel künstliche Seen oder nasse Materialien. Der Wind kann diese kühlere Luft in Gebieten, wo der Hitzeinseleffekt nicht lokal bekämpft werden kann, verteilen. Damit der Wind die Hitze aus den Städten abführen kann, muss die Stadt allerdings so gebaut sein, dass Luftmassen relativ einfach um die Gebäude fliessen können. Das ist indes alles andere als trivial: Es ist noch nicht genügend erforscht, wie die städtischen Strukturen die lokalen Windverhältnisse beeinflussen.
Um Städte so zu optimieren, dass sie die Hitzeinseln effizient verhindern können, muss man also erst einmal verstehen, was genau geschieht: Wie fliesst und verwirbelt sich der Wind an Gebäuden und über erhitzten Strassen? Und wie verändert sich dadurch die Temperaturverteilung?
Diese Fragen zu beantworten, ist das Ziel des neuen Wasserkanals an der Empa, der heute offiziell eröffnet wurde. Doch warum braucht es einen Wasserkanal, um Windbewegungen besser zu verstehen? Es ist eine Frage der Skalierung: Da die Modelle der Stadtstrukturen nur einen Bruchteil so gross sind wie die echten Gebäude und Strassen, verhält sich Wasser bei geeigneter Flussgeschwindigkeit genau wie Wind in einer realen Stadt. Der Wasserkanal hat gegenüber einem Windkanal, der sich ebenfalls eignet, um Windflüsse in Städten zu untersuchen, zwei klare Vorteile: Zum einen lassen sich kleinere Modelle einsetzen, es kann also ein grösserer Bereich der Stadt untersucht werden. Zum anderen lassen sich das Strömungsfeld und die Temperaturverteilung im Wasser gleichzeitig messen.
Dies geschieht mit einem Laser-Messsystem: Das Forschungsteam mischt winzige Partikel sowie einen fluoreszierenden Farbstoff ins Wasser. Die Partikel werden mit einem zu einer Ebene ausgeweiteten, pulsierenden Laserstrahl beleuchtet. Eine Kamera nimmt während eines solchen Laserpulses in schneller Abfolge zwei Bilder auf. Das Messsystem kann nun auswerten, wie weit und in welche Richtung sich die Partikel zwischen den zwei Bildern bewegt haben und daraus die Flussgeschwindigkeiten und Strömungsrichtungen ermitteln. Dank des fluoreszierenden Farbstoffs wiederum können die Forscher due Temperaturverteilung bestimmen: Er absorbiert grünes Laserlicht und strahlt Licht einer anderen Farbe ab – je wärmer das Wasser, desto heller das Licht. Eine zweite Kamera, die das grüne Laserlicht herausfiltert, hält die abgestrahlte Lichtverteilung fest. Die Bestimmung der kühlen und warmen Flussstrukturen erlaubt es den Forschenden, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich die Hitze aus den Städten bringen lässt. Diese Resultate könnten Planern, Architekten und Regierungen künftig dabei helfen, Städte so weiterzuentwickeln, dass das Leben in urbanen Zonen auch bei zunehmenden Hitzewellen erträglich bleibt.