In Bubendorf bei Basel hat die Bachem AG ein neues Zentrallager in Betrieb genommen. Unterteilt ist die Anlage in zwei Sektionen. Während das vollautomatische Hochregallager für Feststoffe weitestgehend unter regulären Bedingungen betrieben wird, ist im Flüssigstofflager eine sachgerechte Lagerung und Handhabung der meist leichtentzündlichen, in IBC-Tanks bevorrateten Stoffe gemäß ATEX-Richtlinien gewährleistet. Als Entwicklungs- und Realisierungspartner hat die Stöcklin Logistik AG das Projekt begleitet und auch für erforderliche Anbindung des StöcklinWMS an SAP WM gesorgt.
Die Bachem-Gruppe ist ein börsennotiertes, auf die Peptid-Chemie spezialisiertes Technologieunternehmen. Im Fokus stehen die Entwicklung innovativer, effizienter Herstellungsverfahren sowie die Produktion Peptid-basierter pharmazeutischer Wirkstoffe. Biochemikalien für Forschungszwecke sowie exklusive Kundensynthesen ergänzen das Angebot. Mit Niederlassungen in Europa, den USA und Asien ist das mehr als 1.000 Mitarbeitende zählende Unternehmen weltweit tätig und erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von 261,6 Millionen CHF. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einer Steigerung um 10,6 Prozent.
Herausfordernde branchenspezifische Besonderheiten
„Operational Excellence“ ist eine Maxime, der sich der Partner der Pharma- und Biotechnologie-Industrie verschrieben hat. Folgerichtig legt Bachem größten Wert auf Qualität und Innovation – sowohl in Produktion als auch Logistik. „Die Projektaufgabe war, ein Lagergebäude in Zentralbereich des Firmenareals mit maximal realisierbaren Lagerkapazitäten zu errichten. Neben Lagerräumen für spezifische Lagerklassen (z.B. Säuren oder Laugen) oder Lagerbedingungen (z.B. Kühlzellen), haben wir uns für zwei vollautomatische Hochregallager entschieden - jeweils eines für Feststoffe und Flüssigkeiten. Diese bieten die Möglichkeit, Produkte gemäß den qualifizierten Bedingungen der Pharma-Richtlinien zu lagern, in Quarantäne zu setzen, freizugeben und bei minimalem Personaleinsatz ein Maximum an Produkten in dem uns zu Verfügung stehenden Raum zu lagern“, erklärt Oliver Tretzack, Projektleiter bei der Bachem AG. Da im Hochregallager Flüssig-Stoffe mit einem niedrigen Flammpunkt gelagert werden, wurden für dieses auch Ex-Schutz Anforderungen an die Betriebsmittel gestellt.
Den Zuschlag zur Umsetzung erhielt die ebenfalls im Umland von Basel ansässige Stöcklin Logistik AG. „Entscheidend für die Auftragsvergabe war eine Vielzahl automatisierter Referenzanlagen, die in der Pharmaindustrie seit Jahren erfolgreich ihren Dienst verrichten, teils in explosionsfähiger Atmosphäre“, weiß Hans D. Koch, verantwortlicher Projektleiter auf Seiten des Schweizer Intralogistiksystemanbieters. Letzteres war auch beim Bau des neuen Flüssigstofflagers von Bachem zu berücksichtigen. Neben der Maschinenrichtlinie mussten sowohl die Vorgaben der Explosionsschutzrichtlinie als auch die Regularien der EMV-Richtlinie erfüllt werden, welche auf die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln zielt.
Schlanke und sichere Prozesse dank Automation
Nach Auftragsvergabe im Mai 2017 wurde das neue Gesamtsystem im Oktober 2018 abgenommen und in den Produktivbetrieb überführt. Im Feststofflager, in dem weniger kritische Waren als im Flüssigstofflager bevorratet werden, verfährt auf einer Länge von 20,4 m ein Paletten-Regalbediengerät MASTer-18T, das auf doppeltiefe Querlagerung ausgelegt ist und 468 Stellplätze bedient. Eine einmotorige 2-Zinken-Teleskopgabel sorgt dafür, dass die Paletten platzsparend auf Hutprofilen gelagert werden können. Ausgelegt ist das 17,7 m hohe Regalbediengerät (RBG) auf Traglasten bis 600 kg.
Die fördertechnische Anbindung des Hochregallagers (HRL) für Feststoffe ist im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss identisch gestaltet. Einzulagernde Paletten werden mittels Handhubwagen in Längsrichtung auf eine hydraulische Ausgabehubvorrichtung aufgegeben und die Etiketten vom Bediener gescannt. Danach werden die Ladungsträger auf Förderniveau angehoben und durch eine Profilkontrolle hindurch bis zum Drehkreuz gefördert. Dort wird das Gewicht gemessen und erfasst. Sind diese Parameter in Ordnung, werden die Ladungsträger angehoben, um 90° gedreht und ins HRL gefördert. Während des Weitertransports ins HRL passieren diese speziellen, rundum geschlossenen Hygiene-Paletten ein Brandschutz-Schnelllauftor und werden an der Übergabestelle vom RBG übernommen. Die Auslagerung erfolgt analog über dieselben Förderelemente. Die Umschlagsquote beläuft sich im Schnitt auf 30 Paletten pro Stunde. Betrieben wird die Anlage über eine Dauer von 12 Stunden an fünf Tagen in der Woche.
EX-Schutz-Vorgaben durchgängig abgedeckt
Auf exakt diese Durchsatzleistung ist auch das Flüssigstofflager ausgelegt. Allerdings waren in dieser Umgebung etliche, aus den gesetzlichen Vorschriften resultierende Restriktionen zu berücksichtigen. Infolge wurde die Anlage konform den Bestimmungen der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG), der Explosionsschutzrichtlinie (2014/34/EU) und der EMV-Richtlinie (2014/30/EU) ausgelegt. „Das dort im Einsatz befindliche Regalbediengerät wurde im Bodenbereich in Ex-Schutz Zone 2 ausgeführt, vom Boden bis zwei Meter Höhe“, berichtet Hans D. Koch. Darüber hinaus sei eine Auslegung gemäß Temperaturklasse 4 erfolgt. Eine weitere Ex-Schutz-Zone befindet sich in der Vorzone des Hochregallagers im Erdgeschoss, vom Boden bis ein Meter Höhe. In diesem Bereich waren sowohl die Antriebe als auch die Sensoren und die Profilkontrolle Ex-geschützt auszuführen. Als weitere Sicherungsmaßnahme wurden der dezentrale Elektroschrank, Bedienpulte und der Antriebsmotor für das im Flüssigstoffbereich befindliche Tor oberhalb der Ex-Schutzzone angebracht.
Die 260 Paletten-Stellplätze im Flüssigstofflager werden durch ein 17,7 m hohes und auf Lasten bis 1.400 kg ausgelegtes Regalbediengerät des Typs MASTer 24-DT mit fester 2-Zinken-Teleskopgabel für einfachtiefe Lagerung angefahren. Als Ladungsträger kommen Chemie-Paletten und Euro-Paletten zur Anwendung. Bei dem Ladegut handelt es sich um „Intermediate Bulk Container“ (IBC) verschiedener Höhenklassen aus Stahl oder Polyethylen, die zentrisch auf den Paletten aufgebracht sind. Infolge ist eine gleichmäßige Lastverteilung gewährleistet. Eine Besonderheit besteht darin, dass IBC-Behälter des Typs 1 (1.245 x 840 mm) mit einem Maximalgewicht von 1.400 kg auch ohne Unterpalettierung gefördert werden können. Typ 2 in Stahl- (1.220 x 1.020 mm) sowie Typ 3 in Polyethylen-Ausführung (1.200 x 1.000 mm), die jeweils 1.000 Liter fassen, werden hingegen unterpalettiert transportiert.
Intelligente Lagerbestandsverwaltung und Materialflusssteuerung
Die fördertechnische Anbindung des speziell für Flüssigstoffe konzipierten HRL wurde im Erdgeschoss realisiert. Somit können im Wareneingang zugeführte Paletten mithilfe von Elektrostaplern auf einen Kettenförderer mit starrer Paletten-Zentrierung für drei verschieden Paletten-Typen aufgegeben werden. Nachfolgend werden die Breite der jeweiligen Palette gemessen sowie die Abmessungen der Ladung, der Paletten-Hohlraum und das Gewicht des Ladungsträgers überprüft. Sofern kein Fehler vorliegt, wird dieser umgesetzt und zur Aufnahme ins Hochregallager transportiert.
Taktgeber des neuen Zentrallagers von Bachem in Bubendorf ist praktisch das über eine Schnittstelle an SAP WM angebundene StöcklinWMS (Warehouse Management System) mit dem integrierten StöcklinWCS-Modul (Warehouse Control System). Es verwaltet die Bestände auf Hochregallager-Ebene vom Wareneingang bis zum Warenausgang. Berücksichtigung finden hierbei unter anderem auch Chargen, Haltbarkeitsdaten und Seriennummern. Der mit einer Visualisierung ausgestattete Materialflussrechner hingegen steuert den gesamten Materialfluss unter Berücksichtigung tagesaktueller Erfordernisse.
Überzeugendes Brandschutzkonzept implementiert
„Ein speziell im Fall von Bachem nicht zu unterschätzendes Thema war auch der Brandschutz“, ergänzt Hans D. Koch. Sowohl das Feststoff- als auch das Flüssigstofflager sind bauseits mit Fluchtwegen ausgestattet sowie mit Sprinklern im Regal versehen worden. Ergänzend hat Stöcklin drei Brandschutz-Schnelllauf-Tore installiert. Diese wurden mit einem Notstrom-Batteriepaket ausgestattet, damit die Brandtorbereiche sowohl bei Gas- als auch bei Brandalarm und einhergehender Stromunterbrechung freigefahren werden können. „Das Brandschutztor im EX-Bereich hat dabei Priorität und wird bei Gas- oder Brandalarm als Erstes geschlossen“, berichtet der Projektleiter weiter. Im Anschluss schließen sich die beiden Tore im Feststofflager.
„Operational Excellence“ auch in der Intralogistik
Durch den Bau des neuen Zentrallagers hat Bachem die für eine sachgerechte Handhabung von pharmazeutischen Vorprodukten und Wirkstoffen erforderlichen intralogistischen Prozesse nun unter einem Dach zusammengeführt und gleichzeitig auch unter Sicherheitsaspekten weiter optimiert. „Die realisierte vollautomatische Systemlösung für die zeit- und bedarfsgerechte Versorgung der Produktion entspricht unseren Vorstellungen und auch der vereinbarte Terminrahmen wurde von Stöcklin eingehalten“, betont Bachem-Projektleiter Oliver Tretzack. „Das neue Hochregallager unterstützt unsere Wachstumsstrategie und wird dazu beitragen, unsere weltweit führende Position im Peptid-Markt weiter auszubauen.“