Vis-à-vis des neuen „Wahrzeichens“ von Basel, dem Roche Bau 1, hat die Stöcklin Logistik AG das bestehende Logistikzentrum auf dem Areal des Pharma-Unternehmens um ein 15 m hohes, in zwei Klimazonen eingeteiltes Hochregallager aufgestockt und fördertechnisch angebunden. Die vertikale Erweiterungsmaßnahme wurde im laufenden Betrieb umgesetzt und umfasste auch die Auditierung gemäß Roche-Compliance sowie die Validierung der Logistiksoftware respektive des Materialflussrechners nach dem Regelwerk der „Good Distribution Practice“ (GDP).
Seit Gründung im Jahr 1896 hat Roche über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren wichtige Beiträge zur Gesundheit der Weltbevölkerung geleistet und gehört heute zu den Marktführern im forschungsorientierten Gesundheitswesen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Basel, Schweiz, vereint die Stärken der beiden Geschäftsbereiche Pharma und Diagnostics und entwickelt als weltweit größter Biotech-Anbieter differenzierte Medikamente für die Onkologie, Immunologie, Infektionskrankheiten, Augenheilkunde und Neurowissenschaften. Die Roche-Gruppe ist in über 100 Ländern aktiv und beschäftigt weltweit mehr als 94.000 Mitarbeitende.
Neuorganisation der Areallogistik
Seit jeher investiert die F. Hoffmann-La Roche AG aber auch gezielt in moderne Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, attraktive Arbeitsplätze und eine nachhaltige Arealentwicklung. Zu den aktuellen Infrastrukturprojekten zählt unter anderem ein Logistikzentrum, das modernsten Vorgaben, etwa im Hinblick auf Energie-, Hygiene- und Sicherheitsanforderungen sowie den Richtlinien des Good Manufacturing Practice (GMP) entspricht.
Um die weltweit steigende Nachfrage nach biotechnologisch hergestellten Medikamenten, die unter gekühlten Umgebungsbedingungen produziert und gelagert werden, angemessen bedienen zu können, fiel der Entschluss, die Bestandsimmobilie entsprechend zu erweitern. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse am Basler Stammsitz wäre eine solche Maßnahme in horizontaler Ausdehnung allerdings nicht möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund machten die Projektverantwortlichen von Roche erneut aus der Not eine Tugend: Das mehrgeschossige Logistikgebäude sollte durch eine Aufstockung an die aktuellen und zukünftigen Erfordernisse angepasst werden. Dies war im laufenden Betrieb ohne Beeinträchtigung der Produktionsversorgung umzusetzen.
Kanallagerung als platz- und kostensparende Variante
Im Zuge des Auswahlverfahrens setzte sich die Stöcklin Logistik AG gegen namhafte Wettbewerber durch. „Das Unternehmen hat nicht nur ein attraktives Angebot vorgelegt, sondern das vorhandene Konzept gleichzeitig mit punktuellen Optimierungen ergänzt“, begründet Charles Meyer, Head of Logistics bei Roche, die Auftragsvergabe an den Schweizer Intralogistiksystemanbieter und Generalunternehmer. Infolge fiel im Dezember 2014 der Startschuss für das ambitionierte Projektvorhaben. Zielsetzung war, die 8-stöckige Logistikimmobilie (Gebäude 41 Ost) durch ein rund 15 Meter hohes, vollautomatisch betriebenes Hochregallager mit zirka 12.450 Paletten-Stellplätzen in vertikaler Richtung und in der Breite über die gesamte Gebäudelänge zu erweitern.
In diesem sollten sowohl Rohstoffe als auch Verpackungsmittel und Fertigwaren mit unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften bevorratet und für den In- sowie Outbound zusammengestellt werden können. Um den begrenzt zur Verfügung stehenden Raum bestmöglich zu nutzen, ist die Anlage als Kanallager ausgebildet, das einen vergleichsweise geringen Platzbedarf einfordert. In diesem lassen sich mehrere Paletten mehrfachtief einlagern, sodass parallel eine maximale Lagerdichte realisiert worden ist. Die Ein- und Auslagerung übernehmen sogenannte PowerShuttle ein Produkt aus dem Hause Stöcklin. Hierbei handelt es sich um Kanal- beziehungsweise Trägerfahrzeuge, die vom Regalbediengerät vor einen zugewiesenen Kanal des Regals transportiert werden und in Schienenprofile horizontal einfahren.
Flexible Storage im Fokus
Die Aufstockung durch die dach- und fassadentragende Regalanlage wurde ab dem siebten Stockwerk respektive ab dem bestehenden Dachgeschoss realisiert. Hierbei wurde das installierte Kanallager durch eine Brandschutz-/Klimatrennwand in zwei Bereiche unterteilt. Der Großteil ist der Lagerung von Waren bei Umgebungstemperaturen +20oC vorbehalten. In dieser Zone stehen rund 8.850 Paletten-Stellplätze in zwei 60 m langen Gassen zur Verfügung, die durch zwei 14 m hohe Regalbediengeräte (RBG) mit PowerShuttle ver- und entsorgt werden. „Der Mittelbereich im Normaltemperaturlager ist für 17 Paletten von beiden Regalbediengeräten im Störfall bereichsübergreifend nutzbar – ‚Flexible Storage‘ ist hier das Stichwort“, erklärt Urs Martin, Vertriebsleiter Schweiz, Geschäftsbereich Anlagen bei Stöcklin. „Auf diese Weise sowie in Verbindung mit einer dynamischen Platz- und Chargenverwaltung werden die Vorgaben an ein Maximum an Flexibilität im Zuge der Kanalnutzung erfüllt.“
Kanalfahrzeug mit Energiemanagement auf höchstem Niveau
Auch im Kühllager, in dem konstant +5oC vorherrschen, ist ein auf 29 Doppelspiele ausgelegtes RBG, ebenfalls aus der MASTer-Baureihe 12-T von Stöcklin, im Einsatz. Temperatursensible Stoffe und Präparate werden hier auf rund 3.600 Paletten-Stellplätzen zwischengelagert. Die Gassenlänge beträgt 30 m. Wie die „Kollegen“ im benachbarten Normaltemperaturlager, benötigt das im Einsatz befindliche PowerShuttle keine Kabelverbindung, sondern kommuniziert per Funk mit dem Mutterfahrzeug, dem RBG. Die Positionierung erfolgt via Laser-Distanzmessgerät in Verbindung mit Absolutwertgebern und Sensoren.
Die einwandfreie Funktion des PowerShuttle in den verschiedenen Klimazonen ist über ein integriertes Energiemanagement sichergestellt.. Dieses überwacht die sogenannten SuperCaps-Zellen auf Wärmeentwicklung und Betriebsspannung. Der aktuelle Ladezustand ist der SPS bekannt, sodass das Fahrzeug bei Unterschreiten des Grenzwertes sicher auf das RBG zurückfahren kann. Die SuperCaps, beziehungsweise Doppelschichtkondensatoren, werden nach jeder Fahrt innerhalb von nur zehn Sekunden über Druckkontakte auf dem RBG erneut aufgeladen. „Ein weiterer großer Vorteil dieser wartungsarmen Energiespeicherung ist die lange Lebensdauer von einer Million Ladezyklen“, führt Urs Martin weiter aus.
Anspruchsvolle Auslegung der Stockwerksfördertechnik
Erschlossen wird der neue Hochregallagerkomplex über zwei automatische Paletten-Aufzüge mit einer Einbauhöhe von 26 m ab Erdgeschoss. Darüber hinaus wurden im sechsten sowie im siebten Obergeschoss in einem ersten Schritt angebundene Fördertechnikstrecken installiert. Urs Martin erinnert sich gut an die Herausforderungen, die das Projektteam in diesem Zusammenhang zu meistern hatte: „Der Einbau der Stockwerksfördertechnik erfolgte im bestehenden Gebäude und war äußerst anspruchsvoll, da die geringe Raumhöhe und das enge Säulenraster diverse Höhenanpassungen und einige Richtungsänderungen im Materialfluss notwendig gemacht haben.“
Im Erdgeschoss der neuen Gesamtanlage sind sowohl der Wareneingang als auch der Warenausgang angesiedelt. Zu vereinnahmende Ladeeinheiten werden manuell von Holz- auf Kunststoffträger umgesetzt, Ladungen geprüft, bei Bedarf über einen vollautomatischen Wickler mit Folie gesichert und mit Hand-Gabelhubwagen bodeneben auf die Fördertechnik aufgegeben. Via Paletten-Aufzug erfolgt die Weiterförderung in das siebte Obergeschoss, sprich ins Hochregallager. Die Zuladung ist auf maximal 500 kg pro Palette begrenzt.
Im sechsten Obergeschoss ist die Kommissionierung untergebracht. Auf Wunsch von Roche hat Stöcklin diesen Bereich mit einer Vielzahl an ergonomischen Features ausgestattet, die die Arbeit der Lagermitarbeiter erleichtern. Dazu zählen zum Beispiel Hebebühnen und höhenverstellbare Handhabungsflächen. Eine optimierte Anordnung von Bildschirm, Tastatur und Drucker erhöht den Arbeitskomfort um ein weiteres Maß.
Qualitätsvorgaben nach GMP umgesetzt
Im Zuge der Auslagerung gelangen angeforderte Paletten analog über einen der zwei installierten Seilaufzüge in das Erdgeschoss, wo sie über Schwerkraftbahnen bodeneben auf einem staudrucklosen Abnahmeelement bereitgestellt werden. Die Steuerung des Materialflusses, inklusive dessen tagesaktuell bedarfsgerechte und kontinuierliche Optimierung, obliegt dem StöcklinWCS (WCS = Warehouse-Control-System) der neuesten Generation, das an das vorhandene Lagerverwaltungssystem angebunden worden ist und mit diesem kommuniziert. Bestandteil des WCS ist auch eine 2D-Visualisierung auf Basis von WinCC. Dieses System bietet eine Vielzahl an Funktionen zur steten Überwachung der automatisierten Prozesse von der Aufgabe der Waren auf die Fördertechnik, über das Kanallager bis zum Warenausgang.
Die Stöcklin-Software ist zudem gemäß der strengen Richtlinien und Qualitätsstandards von Roche auditiert und nach GMP (Good Manufacturing Practice = Gute Herstellungspraxis) validiert worden. „Eine regelkonforme Qualifizierung nach GMP ist in der Pharmaindustrie unerlässlich“, so der Stöcklin-Experte Urs Martin. Sie diene letztlich dem Schutz der Patienten, die darauf vertrauen, dass Arzneimittel von der Herstellung, über die Lagerung und Distribution keinerlei Negativeinflüssen ausgesetzt sind. „Auditierung und Validierung gemäß GMP setzen allerdings ein besonderes Know-how voraus, welches wir bei Stöcklin in spezialisierten Fachteams bündeln.“
Für neue Herausforderungen bestens gerüstet
Das auf die Bestandsimmobilie aufgesattelte und fördertechnisch angebundene neue Hochregallager, das auch der Produktionsversorgung dient, wird nach erfolgreichem Go-Live seit Dezember 2017 von Roche genutzt. Die Erweiterung umfasst neben der Regalanlage und dem Schacht für die Paletten-Lifte auch ein neues Fluchttreppenhaus sowie einen Feuerwehr-Lift. Darüber hinaus wurde der Bau statisch mit vertikalen Stahl-Fachwerken (Erdbebenscheiben) ertüchtigt. Von außen bietet sich dem Betrachter das Erscheinungsbild eines Gebäudes, das von einem nachhaltigen und geradlinigen, zeitlosen Design in Anlehnung an die bei dem Schweizer Pharmaunternehmen gepflegte Architektursprache geprägt ist.
Dank der guten Zusammenarbeit der Teams von Roche und Stöcklin von der Planungsphase bis zur Inbetriebnahme wurden die vielfältigen Herausforderungen des Projekts meisterhaft bewältigt. Die proaktive Unterstützung seitens Roche ermöglichte einen reibungslosen Ablauf trotz der durch den laufenden Betrieb erschwerten Bedingungen. „Mit dem neuen Kanallager hat Stöcklin eine platz- und zugleich energiesparende Systemlösung realisiert, mit deren Hilfe wir adäquat auf die wachsende Nachfrage nach unseren Produkten im Bereich der personalisierten Medizin reagieren und das weitere Wachstum absichern können“, sagt Charles Meyer. „Auch die besondere Herausforderung der Aufstockung inklusive Anbindung an das vorhandene Gebäude, eine sicherlich nicht alltägliche Aufgabe für einen Intralogistikanbieter, hat das Team der Stöcklin Logistik AG in unserem Sinne hervorragend gelöst.“