Der Bau hat begonnen. Nach rund zweijähriger Planungszeit realisiert Stöcklin Logistik als Generalunternehmer für GRUPO BIMBO in Mexiko-City ein neues, vollautomatisiertes Distributionszentrum, über das zukünftig mehr als 100 Verteilzentren und mehrere Großkunden im erweiterten Stadtgebiet beliefert werden. Das neue Distributionszentrum zeichnet sich durch höchste Umschlagsleistungen aus und garantiert eine fehlerfreie und effiziente Auftragsabwicklung rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche. Besondere Anforderungen an die Lösungskompetenz des Intralogistik-Systemanbieters stellte darüber hinaus das zu implementierende Warehouse-Management-System inklusive Materialflussrechner.
Mit einer kleinen Bäckerei in einem Hinterhof von Mexiko-Stadt wurde 1945 der Grundstein für die Erfolgsgeschichte der GRUPO BIMBO gelegt. Heute zählt das Unternehmen zu den größten internationalen Lebensmittelproduzenten und behauptet seine Position als der weltweit führende Hersteller von Backwaren. Die kontinuierlich auf Wachstumskurs befindliche Gruppe ist derzeit mit 105 Werken in 18 Ländern vertreten, beschäftigt rund 130.000 Mitarbeitende und weist einen Nettoerlös von mehr als 13 Milliarden Euro aus. Die Grundzutaten für das Erfolgsrezept: Brote, Brötchen, Kekse, Pasteten, Tortillas, Snacks und vielerlei Gebäck – für jeden Geschmack.
Maximale Leistung bei moderaten Investitions- und Betriebskosten
Angesichts der seit Jahren vehement vorangetriebenen Expansionsstrategie erwies sich die implementierte Food-Supply-Chain des Herstellers als langfristig nicht mehr tragfähig. Es galt eine Lösung zu finden, mit deren Hilfe die Prozesse vereinfacht und wesentlich effizienter ausgerichtet werden konnten. Hierbei waren sämtliche Warenströme zwischen den Produktionswerken und den Verteilzentren bis hin zu den Verkaufsstellen in die Betrachtung einzubeziehen.
Nach einer vorgängig durchgeführten Evaluation verschiedener namhafter Systemanbieter vertraute BIMBO im Zuge der zukunftsweisenden Neuausrichtung der Distributionslogistik auf die Expertise der mexikanischen Niederlassung der Stöcklin Logistik AG. „Maximale Leistung und bestmöglicher Service zu geringst möglichen Kosten“, lautete die Devise. „Wir waren aufgefordert ein Konzept zu entwickeln, das sowohl den immensen Umschlagmengen als auch den zu berücksichtigenden betrieblichen Eigenheiten, von der Produktion bis zum Endkunden, Rechnung trägt“, skizziert Peter Riesterer, Managing Director bei Stöcklin Logistics de México S.A. de C.V., die mit dem Mega-Projekt verbundenen Herausforderungen.
Noch werden die Verteilzentren von BIMBO direkt aus den Produktionswerken heraus beliefert. Zukünftig wird die Abwicklung über zentrale Hubs erfolgen, die nicht nur die zeit- und mengengerechte Verteilung der Fertigprodukte sicherstellen, sondern auch eine Hub-Funktion für das gesamte Leergebinde-Handling übernehmen. „Die klassischen Anforderungen, wie hohe Lieferbereitschaft und -qualität bei immer kürzeren Lieferzeiten, die von einem immer dynamischer werdenden Markt diktiert sind, werden auf engst möglichem Raum und mit höchster Effizienz erbracht – und dies zu geringst möglichen Investitions- und Betriebskosten“, so Peter Riesterer weiter.
Akribische Planung und Projektierung
Um all dies sicher in die Tat umsetzen zu können, war im Vorfeld eine umfassende Planungs- und Projektierungsphase zu absolvieren. Dabei mussten annähernd 5 Mio. Datensätze ausgewertet werden, um die zukünftig abzuwickelnden Auftrags- und Rüstmengen sowie die Auftragsstrukturen ermitteln zu können. Im Rahmen der Datenanalyse und der zu berücksichtigenden Wachstums- und Spitzenfaktoren wurde schon sehr bald klar, dass eine einstufige Auftragsbearbeitung, wie dies bis dato der Fall war, die weiter steigenden Anforderungen nicht mehr würde bedienen können. Mit der Bereitschaft von GRUPO BIMBO, die bestehenden Distributionsstrukturen unter Berücksichtigung der zukünftig abzuarbeitenden Mengen anzupassen, wurde es möglich, den Lösungsansatz einer zweistufigen Kommissionierung und Auftragsabwicklung umzusetzen.
Das neue Konzept sieht vor, dass Rüstaufträge für einen ganzen Tag, die grösstenteils bereits mindestens 24 Stunden vor Auslieferung bekannt sind, vom Warehouse-Management-System (WMS) aufbereitet und auf Artikelbasis konsolidiert werden. Dies bedeutet, dass für jedes der mehr als 100 zu beliefernden Verteilzentren der komplette Tagesbedarf an gleichen Artikeln für einen oder mehrere Besteller im Distributionszentrum kommissioniert, konsolidiert und gemäss einem fix getakteten Fahrplan an die lokalen Verteilzentren ausgeliefert wird. Dort werden die konsolidierten Artikel dann auf die einzelnen Bestellaufträge kommissioniert und anschliessend auftragsrein zu den Verkaufsstellen transportiert. Parallel werden Leergebinde übernommen, die via Verteilzentren in das Distributionszentrum in Azcapotzalco gelangen, wo sie gewaschen, zwischengelagert und erneut an die Produktionswerke verteilt werden.
Im Anschluss an die Konzeptentwicklung erfolgte eine Überprüfung des geplanten Layouts mittels einer Simulation auf Basis von Real-Daten. Auch Machbarkeitstests für kritische Komponenten der im Bereich der vollautomatischen Kommissionierung vorgesehenen Roboter – zum Beispiel Greifer -, stützten das Konzept und lieferten parallel wertvolle Erkenntnisse, die direkt in die weitere Planung einflossen. Abschließend verfasste das Team von Stöcklin Logistik ein detailliertes Lastenheft für das zum Einsatz kommende WMS, quantifizierte die tatsächlich erforderlichen Ressourcen auf Personalebene und budgetierte letztendlich die Gesamtinvestition.
Bedarfsgerecht ausbalanciertes Automatisierungsrezept
Nach Fertigstellung umfasst das neue BIMBO-Distributionszentrum ein zweigeschossiges Gebäude mit einer Breite von 76 m und einer Länge von 192 m. Im Erdgeschoss sind der Wareneingang, der Warenausgang, Blocklagerbereiche für Frischwaren und eine automatische Kommissionier-Zelle untergebracht. Das Obergeschoss wird mit zwei weiteren vollautomatisch arbeitenden Kommissionier-Zellen bestückt und es findet sich hinreichend Platz für manuelle Pick-Arbeiten. Ferner werden hier ein Blocklager für Leergebinde sowie ein Regallager für Anbruch-Paletten eingerichtet und eine Waschanlage für die Leergebinde installiert.
Das Hochregallager mit einer Kapazität von 24.576 Paletten-Stellplätzen bei doppelttiefer Lagerung, liegt baulich in der Verlängerung des Logistikgebäudes und stellt mit einer Länge von 100 m, einer Breite von 60 m und einer beachtlichen Höhe von 43 m eine beeindruckende, weithin sichtbare Landmarke dar. Im Wareneingang werden täglich rund 7.000 Paletten erwartet, im Warenausgang sind in der gleichen Zeitspanne bis zu 8.000 Paletten abzuwickeln und über 32 Rampen auf circa 400 Lkw zu übergeben. Die Kommissionier-Leistung aus der automatischen und der manuellen Kommissionierung liegt bei über 300.000 Gebinden pro Tag.
Intelligente Strategien für die automatisierte Gebinde-Kommissionierung
Herzstück des neuen Distributionszentrums, das auch die größte technische Herausforderung darstellte, ist die vollautomatische Kommissionierung von Gebinden in der Fläche. Bei der Ausgestaltung dieses Bereichs waren ein hohes Maß an Kreativität und Sachverstand gleichermaßen gefragt. Letztlich entschieden sich die Partner für eine Lösung, bei der lediglich ganze oder halbe Gebinde-Türme, jedoch keine einzelnen Gebinde kommissioniert werden. Vorteil dabei ist, dass die erforderlichen Bewegungen der Roboter auf ein machbares Maß reduziert werden konnten.
In der Praxis stellt es sich dann so dar: Mit jeweils fünf Gebinde-Türmen beladene Paletten werden im Obergeschoss aus dem Hochregallager via Elektrohängebahn wahlweise zu einer der zwei Kommissionier-Zellen im Obergeschoss oder zu dritten Zelle im Erdgeschoss gefahren. Auf dem vorgelagerten Arbeitsplatz wird die Wickelfolie aus Gründen der Betriebssicherheit manuell entfernt. Im Anschluss durchlaufen die Paletten eine Vorrichtung, in der die Türme automatisch abgeschoben und auf eine Fördertechnik übergeben werden. In einem nächsten Schritt erfolgen deren Vereinzelung und der Transport zur Übergabestelle vor einer Roboterzelle. Der Greifer nimmt die für den Nachschub bestimmten Gebinde-Türme auf und übergibt sie an einen freien Stellplatz in der Fläche. Die Kapazität einer Zelle beläuft sich auf etwa 990 Gebinde-Türme.
Zu kommissionierende Gebinde werden jeweils als halbe Türme von den Robotern gegriffen und auf die vorgelagerte Transportanlage abgegeben. Danach werden sie zu einer Stapelvorrichtung weitergeführt, wo wiederum ganze Türme gebildet werden. Diese werden anschliessend zu einer Station gefördert, die die Türme auf eine zuvor bereitgestellte Leerpalette aufschiebt. Im Anschluss werden die Einheiten automatisch gewickelt mit einem Barcode versehen und zum Warenausgang abtransportiert.
Die Zuführung der Ladeeinheiten aus der automatischen und der manuellen Kommissionierung im Obergeschoss sowie aus dem Hochregallager erfolgt mittels Elektrohängebahn sowie über vier Vertikalförderer. Frischeprodukte aus dem Fliesslager im Erdgeschoss gelangen via vorgelagerter Fördertechnik in den Warenausgangsbereich. Dort sieht das Konzept eine sequenzgerechte Aufstauung der Versandpaletten auf den Bereitstellbahnen in vier einzelnen autonomen Teilbereichen vor. Ein derartiges Verfahren ist notwendig, da die Lkw von hinten beladen und bis zu drei Abladestellen pro Tour angefahren werden.
Hochleistungs-Hub zwischen Produktion und Point-of-Sale
Bereits während des Detail-Engineerings haben die Verantwortlichen von GRUPO BIMBO und Stöcklin eine detaillierte Funktionsspezifikation für das WMS erarbeitet. Sämtliche Geschäftsprozesse sind in mehrtägigen Workshops klar definiert und vereinbart worden. Aufgrund der Komplexität der zu realisierenden Abläufe im Distributionszentrum handelte es sicher hierbei um eine für den Erfolg des Vorhabens unerlässliche Phase im Rahmen der Projektentwicklung.
Übergeordnete Zielsetzung waren beziehungsweise sind eine exakte Online-Bestandskontrolle, substanziell gesenkte Prozesskosten und sichere, automatisierte Abläufe in Verbindung mit minimalem Ressourceneinsatz. Durchgängig nachvollziehbare Prozesse bilden zudem die Basis für aussagekräftige Statistiken und ermöglichen kontinuierliche Optimierungen im Materialfluss und beim Personaleinsatz. Nicht zuletzt sinkt auch der administrative Aufwand. Die Auftragsbearbeitung erfolgt zentral und die Koordination zwischen Distributionslager, Verteilzentren und Filialen wird verbessert.
Die Inbetriebnahme der neuen XXL-Anlage am Rande von Mexiko-Stadt ist für Mitte 2019 geplant. „Mit der Auftragserteilung für dieses Prestigeprojekt untermauert die Stöcklin-Gruppe einmal mehr ihre Marktführerschaft in Mexiko – ein Erfolg, der sowohl auf erstklassige Produkte und eine professionelle Projektrealisierung, als auch auf die Präsenz vor Ort sowie einen leistungsfähigen Service zurückzuführen ist“, resümiert Peter Riesterer. Kundennähe sei ebenso gewährleistet wie schnelle Reaktionszeiten. Diese Kriterien sind gerade für das neue Distributionszentrum von BIMBO eminent wichtig, um ein Maximum an Verfügbarkeit bei höchsten Umschlagsleistungen im 24/7-Betrieb dauerhaft gewährleisten zu können.
Das Vertrauen in die Stöcklin-Gruppe untermauerte GRUPO BIMBO mit der Auftragserteilung, parallel zur Realisierung des neuen Distributionszentrums drei dezentrale Verteilzentren mit moderner Intralogistik auszurüsten. Diese drei Anlagen in Monterrey, Puebla und Guadalajara haben mittlerweile bereits erfolgreich ihren Betrieb aufgenommen.