Für die Emmi Schweiz AG hat Stöcklin Logistik am Standort Ostermundigen eine Reorganisation auf Ebene der Intralogistik durchgeführt und die Prozesse weiter flexibilisiert. Im Zuge dessen wurde das StöcklinWCS (Warehouse Control System) bedarfsgerecht modifiziert und auf weitere Funktionsbereiche ausgerollt. Gleichzeitig sind in einem Zeitfenster von vier Monaten die ursprünglich manuell vorgenommenen und daher sehr aufwändigen Warentransporte zwischen den beiden Hochregallagern automatisiert worden. Diese werden seit April 2018 durch zwei fahrerlose Transportfahrzeuge des Typs EAGLE ANT abgewickelt.
Im Jahr 1907 gründeten 62 Genossenschaften den Zentralschweizerischen Milchverband Luzern (MLV). Es entstand die Vorgängerorganisation der heutigen Emmi, dem größten Milch-Verarbeiter in der Schweiz und einer der innovativsten Premium-Molkereien Europas. Im Heimatland fokussierte das mit Hauptsitz in Luzern ansässige Unternehmen die Entwicklung, Produktion und Vermarktung eines Vollsortiments an Molkerei- und Frischeprodukten sowie die Herstellung, die Reifung und den Handel von Schweizer Käse. Auf den ausländischen Märkten werden insbesondere frische Lifestyle-, Convenience- und Gesundheitsprodukte nachgefragt, die Emmi in 60 Länder weltweit exportiert. 2017 konnte die internationale Unternehmensgruppe ihren Umsatz erneut steigern und zwar um 3,2 % auf CHF 3‘364 Millionen. Hinter diesem Erfolg stehen rund 6.150 Mitarbeiter, 2.950 davon in der Schweiz.
Wachstum verlangt Neuordnung der Logistik
In Ostermundigen bei Bern werden Frischprodukte wie Joghurts, Emmi Caffè Latte und Glace hergestellt und zwischengelagert. Zudem durchlaufen Produkte aus weiteren Produktionsstätten von Emmi den Standort, indem sie im Cross-Docking-Verfahren durchgeschleust werden. Der jährliche Durchsatz beläuft sich auf rund 350.000 Paletten mit gekühlten und etwa 65.000 Paletten mit ungekühlten Waren. Hinzu kommen an die 30.000 Paletten, die mit Handelsprodukten bestückt sind. Über viele Jahre betrieb Emmi in Ostermundigen zwei Hochregallager, eines für den Frischebereich und eines in einer Tiefkühlumgebung. Aufgrund des anhaltenden Wachstums fiel Ende 2013 die strategische Entscheidung, die Tiefkühllogistik auszulagern und dieses Hochregallager in einen Logistik-Hub beziehungsweise ein Frischedistributions-Center umzuwandeln. Um dies umsetzen zu können, war neben gebäudetechnischen Maßnahmen eine vollständige Neukonzeption des innerbetrieblichen Materialflusses sowie der Distributionslogistik erforderlich.
In Folge beauftragte Emmi die Stöcklin Logistik AG, die anstehenden Aufgaben als Generalunternehmer für die Intralogistik umzusetzen. Im Zuge dessen sind zwischen 2013 und 2015 unter anderem das bestehende Kanallager umgebaut und die Lagerkapazität um 24 % auf 8.600 Plätze erhöht worden. Zwei vorhandene Regalbediengeräte (RBG) eines Fremdanbieters wurden komplett modernisiert und zwei weitere Paletten-RBG aus der MASTer-Familie von Stöcklin Logistik hinzugefügt. Die Steuerung sämtlicher Prozesse obliegt dem WCS Warehouse Control System des StöcklinWMS. Eingebunden sind neben den vier Regalbediengeräten nebst Stöcklin-PowerShuttles eine weiträumige Paletten-Fördertechnik sowie eine Elektrohängebahn als Bindeglied zur Produktion, deren Einbringung durch einen Fremdanbieter realisiert worden ist. Zentrale Projektvorgabe war eine konstant hohe Verfügbarkeit. Denn die Soll-Performance der Anlage muss über 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche sichergestellt sein. 105 Doppelspiele pro Stunde sind hierfür zu absolvieren.
Datenkommunikation vereinheitlicht und Transporte automatisiert
Seither existierten praktisch zwei unabhängige Lager mit jeweils eigenen Lagerverwaltungen und Materialflusssteuerungen. Um eine neue, schnittstellenbereinigte Durchgängigkeit für beide Anlagen zu erreichen, wurde unter anderem die Steuerungshoheit für sämtliche Materialflüsse komplett auf das StöcklinWCS übertragen. Bei dem StöcklinWCS handelt es sich um eine Lagerplatzverwaltungs- und Materialflussapplikation für automatisierte Lager, die sowohl als integraler Bestandteil des StöcklinWMS fungiert oder, wie im Fall von Emmi, als autarke Ebene unterhalb des WMS eines Marktbegleiters betrieben werden kann. Dabei werden stetig intelligente Einlager-, Umlager- und Auslagerungsstrategien gefahren, um die Durchsatzleistung unter Berücksichtigung erforderlicher Lagerrestriktionen zu optimieren.
Parallel wurden funktionale Anpassungen an der bestehenden Paletten-Fördertechnik vorgenommen und die Warentransporte zwischen den beiden Lagern automatisiert. „Angesichts des bei Emmi implementierten kontinuierlichen Verbesserungsprozesses waren Zuführungen via Handhubwagen oder Stapler nicht weiter tolerierbar“, berichtet Niklaus Schäfer, der das Projekt neben dem verantwortlichen Leiter Michael Wernke, der zwischenzeitlich zum Emmi-Standort Suhr gewechselt ist, begleitet hat. Pro Tag müssen über eine Dauer von zwölf Stunden rund 300 Paletten zwischen den beiden Anlagen bewegt werden. Der Fahrweg beläuft sich auf jeweils rund 40 m. „Zusätzlich müssen in dieser Zeit auch noch bis zu rund 200 manuell kommissionierte Paletten ins Lager verbracht werden“, so Niklaus Schäfer weiter.
Um diese tägliche Herausforderung effizienter meistern zu können, entschied sich Emmi, diese Aufgaben zukünftig auf fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) zu übertragen. Die Wahl fiel auf zwei automatisierte Mittelhub-Geräte des Typs EAGLE ANT 1 von Stöcklin Logistik. Kennzeichnend für die FTF ist, dass die Navigation über Umgebungsmerkmale, wie Wände, Säulen etc., erfolgt. Zwei integrierte Sicherheitslaser-Scanner sorgen für die erforderliche Orientierung und überwachen fortwährend den Fahrbereich. Während der Fahrt werden die Messdaten der Laserscanner mit einer hinterlegten Karte der Einsatzumgebung, in welcher der Fahrkurs vermerkt ist, abgeglichen. Bei mobilen oder stationären Hindernissen stoppt das Fahrzeug beziehungsweise passt die Geschwindigkeit an das Geschehen an. Bestückt ist das fahrerlose Transportsystem (FTS) mit modernsten, sparsamen und wartungsfreien Lithium-Ionen-Batterien (Stöcklin Li-Ion).
Fahrerlos und autonom stets exakt zur Stelle
Sobald über die Remote-I/O-Box der Fördertechnik im „alten“ Hochregallager ein Signal an das Traffic Management System (TMS) im FTS-Leitrechner übertragen worden ist, dass eine Palette zur Abholung bereitsteht, wird ad hoc ein Transportauftrag für das nächst verfügbare Fahrzeug ausgelöst. Das FTF holt die Palette ab und überführt sie zur Aufgabestation der Fördertechnik im „neuen“ Hochregallager. Darüber hinaus existieren manuelle Einzelplätze, die mittels Belegt-Sensoren registrieren, wenn sich unter ihnen eine Palette befindet. Nach einer kurzen Zeitverzögerung von zehn Sekunden wird auch für diese Plätze jeweils ein Transportauftrag für ein Fahrzeug erzeugt. Ziel dieser Ladungsträger ist ebenfalls die Paletten-Fördertechnik von Stöcklin Logistik, über die die Waren zur Einlagerung weitertransportiert werden.
In beiden Fällen beträgt die Ausgangsleistung respektive Anzahl der Transporte durch die FTF in der Spitze 25 Paletten pro Stunde. Über eine Einsatzdauer von zwölf Stunden werden im Schnitt 300 bis 500 Paletten automatisiert bewegt, sodass Mitarbeiter, die bis dato in diesen Prozess involviert waren, in anderen Bereichen produktiv eingesetzt werden können. „Der EAGLE ANT ist aufgrund seiner technischen Optimierung auf einen schnellen Return of Investment (ROI) ausgelegt“, sagt Bernd Krebs, Produktverantwortlicher FTF/FTS bei der Stöcklin Logistik AG. „Durch die Navigation mittels Umgebungsmerkmalen profitierten Anwender von einem hohen Maß an Flexibilität, insbesondere dann, wenn Fahrkursänderungen anfallen oder zusätzliche Fahrzeuge zwecks Erweiterung der Flotte eingebunden werden sollen.“
Gesamtpaket reduziert Aufwände und erhöht die Flexibilität
„Die physische Verbindung beider Lager mittels fahrerloser Transportfahrzeuge bei gleichzeitiger Synchronisation der gesamten Materialflusssteuerung am Standort setzt eine sehr spezielle Expertise voraus, die wir in unseren Geschäftsbereichen Anlagen sowie Flurförderzeuge bündeln“, umschreibt Bernd Krebs das spezielle Anforderungsprofil. „Eine durchgängig harmonisierte IT-Landschaft über beide Hochregallager macht vieles einfacher, reduziert die Schnittstellenproblematik und senkt den Betreuungsaufwand“, ergänzt Niklaus Schäfer von Emmi. Die definierten Ziele sind innerhalb des vereinbarten Zeitfensters erreicht worden. Und dank der Implementierung der EAGLE ANT-FTF könnten die Warentransporte zwischen den beiden Hochregallagern nun mühelos, fehlerfrei und sicher automatisiert abgewickelt werden. Umlagerungsvorgänge zwischen den Lagern können flexibel geplant werden, da die FTF immer verfügbar sind und keine Mitarbeiter für diese Tätigkeiten eingeplant werden müssen. Sollte in Anbetracht erhöhter Anforderungen zukünftig eine Aufstockung notwendig sein, lässt sich das vorhandene Duo jederzeit problemlos um einen oder mehrere autonom verfahrene „Kollegen“ ergänzen.