Über 6 Millionen Fahrzeuge durchqueren jährlich im Gotthardtunnel die Alpen. Der 16,9 Kilometer lange Tunnel verbindet Göschenen im Kanton Uri mit Airolo (TI). Er bildet damit das Herzstück der Autobahn A2 von Basel nach Chiasso. Auf der Nord-Süd-Achse sind nicht nur sonnenhungrige Nordschweizer unterwegs, auch der Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien passiert diese Route. Dank dem vermehrten Umstieg von der Strasse auf die Schiene konnte die Belastung durch den Schwerverkehr in den vergangenen Jahren reduziert werden. Umso stärker konzentriert sich das Verkehrsaufkommen nun auf das warme Halbjahr. Besonders an den Feiertagen des Frühjahrs und in der Sommerferiensaison kommt es regelmässig zu Staus am Gotthard-Nord- und Südportal.
Wir sind schuld!
Für die Staubildung sind unmittelbare Ursachen wie Unfälle oder Baustellen zwar relevant, doch die meisten Staus entstehen ganz von selbst. Gemäss Bundesamt für Strassen (ASTRA) wurden rund 89 Prozent der gesamtschweizerischen Staustunden durch Verkehrsüberlastung ausgelöst. Die Wissenschaft beschreibt dieses Phänomen der Staubildung als «Phantomstau» oder «Stau aus dem Nichts». Der Ursprung des Staus liegt laut dieser Theorie in Geschwindigkeitsänderungen eines Fahrzeugs. Es bremst ein Verkehrsteilnehmer so ab, dass das nachfolgende Fahrzeug seine Geschwindigkeit ebenfalls verringern muss. Jedes Fahrzeug, das dahinter auf derselben Spur folgt, muss ein wenig stärker abbremsen als das vorherige, bis das erste Fahrzeug zum Stillstand kommt. Wenn sich die Autos danach in der Kolonne vorwärtsbewegen, braucht jedes Fahrzeug einige Sekunden, bis es wieder aufgerückt ist. So verschiebt sich die Staufront kontinuierlich rückwärts. Der Stauverursacher ist dabei meist nicht selbst Teil des Staus, denn dieser bildet sich erst einige Fahrzeuge hinter ihm. Je dichter der Verkehr ist, desto schneller entstehen die Staus und desto rascher sind viele Fahrzeuge involviert. Ein Stau erhöht seinerseits das Risiko von Unfällen.
Die Lösung: Konstantes und koordiniertes Fahren
Damit sich solche Staus gar nicht erst bilden, sind vor allem die Faktoren Abstand und Geschwindigkeit entscheidend. Wenn jeder Verkehrsteilnehmer einen genügenden Abstand zum vorausfahrenden einhält, werden keine abrupten Abbremsungen nötig, die sich nach hinten verstärken. Zudem gilt es die Geschwindigkeit so konstant wie möglich zu halten. Schnelles Aufschliessen sorgt für ruckartige Bewegungen und stört so den Verkehrsfluss. Idealerweise bewegen sich alle Fahrzeuge auf der Autobahn mit gleicher Geschwindigkeit und gleichem Abstand. Auf diese Weise können Handorgeleffekte vermieden werden und es entstehen keine Staus aus dem Nichts. Dieser Idealfall kann von Menschen nicht nachhaltig erzeugt werden. Je weiter die Technologie fortschreitet, desto besser können diese Probleme angegangen werden. Automatische Abstandsregulierung und Tempomaten helfen dabei, den Verkehr zu koordinieren und die Fahrzeuge aufeinander abzustimmen. Bis der Faktor des menschlichen Versagens aus dem Strassenverkehr eliminiert ist, bleibt die Staubildung Teil des Autobahnalltags.
In der Zwischenzeit stauen sich die Autos am Gotthard-Nordportal. Im einen Auto fluchen die Eltern und die Kinder streiten sich um das Tablet. Die Kumpels im Minivan packen unterdessen den Grill aus und hoffen insgeheim, der Stau möge sich nicht allzu schnell wieder auflösen. Der Osterstau vor dem Gotthard schreibt Jahr für Jahr seine eigenen Geschichten und ist zum festen Bestandteil des Schweizer Feiertagerlebnisses geworden. Bis im Jahr 2032 beide Gotthardröhren in Betrieb sind, und wohl auch darüber hinaus, bleibt uns dieses alljährliche Spektakel erhalten. Genügend Zeit also, um das Staufahren mit kreativen Ideen zum Highlight der Kurzferien zu erheben. In diesem Sinne: Frohe Ostern!