Seit dem Ausbruch des Coronavirus sind Plexiglaswände zu unseren täglichen Begleitern geworden. Beim Einkaufen, in Schulen und öffentlichen Einrichtungen schützen sie uns vor der unsichtbaren Gefahr. Was vor einigen Monaten noch ein Nischenprodukt war, wird nun massenweise nachgefragt. Für die Kunststoffindustrie nicht nur ein Glücksgriff.
Unterschätzte Wunderwaffe
Acrylglas, so der offizielle Name des Kunststofferzeugnisses, war bereits vor der Coronakrise ein wichtiger Baustoff unseres täglichen Lebens. Einst von einem deutschen Chemiker per Zufall entdeckt, hat es sich als flexible und robuste Alternative zu Glas bewährt. Acrylglas wird als transparente Oberfläche in Bildschirmen, Werbeanzeigen und Leuchtmitteln benutzt, findet wegen seines geringen Gewichtes und der guten Formbarkeit auch in Brillen, Flugzeugfenstern und Fahrzeugen aller Art Verwendung.
Hype als Herausforderung
In der Coronakrise sehen die Acrylglasverarbeiter in der Schweiz einer neuen Herausforderung ins Auge: Die Produktionszahlen müssen schlagartig um ein Vielfaches erhöht werden, um der grossen Nachfrage gerecht zu werden. Problematisch ist dabei nicht primär die eigene Produktion, sondern die Beschaffung des Rohmaterials – Acrylglas wird im Ausland hergestellt, von Schweizer Unternehmen importiert, verarbeitet und vertrieben. Somit ist die Versorgung der Schweiz stark von internationalen Lieferketten abhängig. Lieferengpässe gehören derzeit zum Tagesgeschäft. Branchenvertreter sprechen von einer Volumensteigerung um das Fünf- bis Zehnfache. Gleichzeitig präsentiert sich die Coronakrise als Gelegenheit zur Diversifikation. Dies erkannte auch die Kunststoffspezialistin Amsler & Frey AG, die sogleich in die Produktion von Schutzvorrichtungen einstieg. Sie ist, wie viele andere unserer Kunden, ein Beweis für die Anpassungsfähigkeit der Schweizer Industrie.
Wie weiter?
Genauso unsicher wie die weitere Entwicklung der Pandemie ist allerdings die Auftragslage im Acrylglas-Sektor. Wenn uns das Coronavirus weiter in Atem hält, wird auch das Produktionsvolumen von Schutzwänden auf hohem Niveau verbleiben. Was passiert allerdings mit den massenhaft produzierten Spuckschutzwällen, wenn die Coronakrise ausklingt und langsam in Vergessenheit gerät? Die Produktion wird wieder heruntergefahren werden, der Boom nimmt ein Ende. Man widmet sich aufs Neue dem Tagesgeschäft. Es bleibt den Unternehmen überlassen, welchen längerfristigen Nutzen sie aus dem Hype ziehen können. Für die Branche resultiert allerdings ein grosser Vorteil: Acrylglas ist zu einem Retter in der Not geworden. So konnte es sich von seinem Image als Umweltverschmutzer und Ressourcenschleuder befreien und erstrahlt in einem neuen Licht.