Fassaden reinigen, Gebäude unterhalten und Installationen montieren – auf Bodenhöhe für Fachleute kein Problem. Sobald allerdings Hebebühnen, Kräne und Gerüste nicht mehr reichen, kommen sie zum Einsatz: Industriekletterer.
Renaissance des Hochhausbaus
Hochhäuser gehören in der Schweiz schon längst zum typischen Stadtbild. Allerdings waren es seit dem Hochhausboom der 60er- und 70er-Jahre eher klobige Wohntürme als moderne architektonische Aushängeschilder, die unsere Hochhauskultur prägten. Mit der Eröffnung des Burj Khalifa, des höchsten Gebäudes der Welt, hat sich das Bauen von Hochhäusern rund um den Globus in den 2010er-Jahren wieder etabliert. In der Schweiz äusserte sich dies im Bau des Zürcher Prime Towers und des Roche Turms in Basel.
Zurück zu bewährten Mitteln
Auch bei solch hohen Bauwerken stehen regelmässig Reinigungs- und Wartungsarbeiten an. Mit herkömmlichen Methoden sind sie allerdings schwer zu bewältigen. Daher greift man in diesem Fall auf einen ungewohnten Ansatz zurück. Anstatt sich vom Boden aus hinaufzuarbeiten, befestigt man Halteseile zuoberst am Gebäude und bewegt sich von dort aus der Fassade entlang. Diese sogenannte seilunterstützte Zugangstechnik wird von Industriekletterern sowohl bei Wolkenkratzern als auch an Kaminen und in Schächten angewandt. Sie arbeiten dabei mit zwei separaten Seilsystemen: dem Trag- und dem Sicherungssystem. Gemeinsam sorgen diese für die optimale Arbeitsposition und die Sicherheit des Kletterers.
Vorzeigebeispiel Notre Dame
Wie imposant sich die Arbeit der Industriekletterer präsentiert, kann momentan am Beispiel der Notre Dame de Paris beobachtet werden. Über dem Schiff der Kathedrale hängt seit dem verhängnisvollen Brand im April 2019 wie ein Damoklesschwert ein tonnenschweres, teilweise geschmolzenes Baugerüst. Bei der Demontage beweisen führende Industriekletterer Europas ihren Einsatzwillen und ihr Können. Dies zeigt ein Bericht von SRF 10vor10 (15.07.2020) eindrücklich auf.
Allzweckwaffe Industriekletterer
Die Methode der Gebäudekletterer erscheint simpel. Dennoch erfordert dieser Job Konzentration und einwandfreie Koordination: Wer in solchen Höhen Experimente wagt, gefährdet Leben. Neben dem klettertechnischen Knowhow zeichnet einen Industriekletterer auch überfachliche Kompetenz, vor allen Dingen im Bereich des Handwerks aus. Er ist in seinem Berufsalltag mit verschiedensten Herausforderungen konfrontiert. So muss er beispielsweise Gebäudereinigungen vornehmen, aber auch Kamine für den Flugverkehr mit Farbe markieren oder mechanische Einrichtungen reparieren können.
Der Lauf der Dinge ist hier also gewissermassen ironisch: Die Wirtschaft strebt stets nach „höher, schneller und weiter“, Maschinen übernehmen die Arbeit von Menschen. Dennoch sind es immer wieder die unermüdlichen Arbeiter, die mit Einsatz und Fachkompetenz dafür sorgen, dass das System reibungslos funktioniert. Das Beispiel der Industriekletterer ist dabei kein Einzelfall.